Angehörige
Die Bedeutung der Sekundär- und Tertiärprävention
Aufgrund der Ergebnisse zahlreicher neuerer Studien wissen wir heute, dass Demenz kein unabwendbares Schicksal ist. Verschiedenste Risikofaktoren für den Abbau der kognitiven Fähigkeiten sind durchaus beeinflussbar, und bis zu 45% der Demenzprävalenz lassen sich durch sie erklären. Neben der Bildung in jungen Jahren gehören dazu Faktoren, auf die wir im Erwachsenen- und Seniorenalter einwirken können, insbesondere auf Hörverlust, Suchtmittelkonsum (Alkohol, Zigaretten), Depressionen, soziale Isolation, körperliche Aktivität oder kardiovaskuläre Risikofaktoren.
Unter Umständen sind damit jedoch Änderungen des Lebensstils verbunden, und dies bedarf einer Begleitung, wenn die Massnahmen erfolgreich sein sollen. Nichtpharmakologische Pflegemodelle und Behandlungen, insbesondere in den Bereichen Logopädie, Physiotherapie, Neuropsychologie oder Achtsamkeitsmeditation, zeigen positive Auswirkungen in Bezug auf Autonomie, Kognition, Lebensqualität und Befindlichkeit.
Behandlungsverläufe von Demenzpatient:innen
Obwohl Demenz eine schwerwiegende und häufige Erkrankung ist, gibt es dazu in der Schweiz keine systematische Datensammlung. Das hier vorgestellte, von der Nationalen Plattform Demenz in Auftrag gegebene Projekt hat zum Ziel, eine Bestandesaufnahme der in den bestehenden Datenbanken verfügbaren Informationen über Demenzbetroffene zu erstellen. Untersucht wird zunächst, ob eine Identifizierung dieser Personen in den Statistiken möglich ist. Anschliessend werden Musterverläufe rekonstruiert und analysiert, um daraus Informationen über die Art und das Ausmass der Inanspruchnahme des Gesundheitssystems durch Demenzpatient:innen zu gewinnen.
Schweizer Systembereitschaft im Zuge neuer Entwicklungen – Wo stehen wir?
Eine mögliche Zulassung neuer monoklonaler Antikörpertherapien für die Alzheimerkrankheit stellt die Gesundheitssysteme weltweit vor Herausforderungen. Der Verein Swiss Memory Clinics (SMC) hat eine Analyse der vorhandenen Ressourcen vorgenommen und mögliche Versorgungsengpässe identifiziert. Deren Bewältigung stellt eine Herausforderung dar, die Massnahmen auf verschiedenen Ebenen erfordert. Unsere Analyse zeigt aber auch auf, dass wir in der Schweiz über relativ gute Voraussetzungen verfügen, neue Entwicklungen in die bestehenden Versorgungsstrukturen zu integrieren.
Social Prescribing – Ein Modell für Menschen mit Demenz?
«Social prescribing» gilt als neuer und innovativer Ansatz der Gesundheitsversorgung, in dem Ärztinnen und Ärzte «soziale Rezepte» ausstellen. Die Patient:innen werden zu sogenannten «Link worker» verwiesen, die sie wiederum zu sozialen Aktivitäten, ehrenamtliche Arbeit, kreative Tätigkeiten oder sportliche Angebote vermitteln. Heute ist «social prescribing» in der Schweiz erst ansatzweise zu finden. Was kann von «social prescribing» erwartet werden? Welchen Nutzen bringt der Ansatz für die Fachkräfte? Inwiefern könnten soziale Rezepte für Menschen mit Demenz hilfreich sein? Im Beitrag wird eine Auslegeordnung gemacht sowie die Chancen und Herausforderungen von «social prescribing» in der praktischen Umsetzung diskutiert.
30 Jahre Demenzforschung: Wo stehen wir heute?
In den letzten 30 Jahren haben sich Theorie und Praxis in Bezug auf die Alzheimer-Krankheit langsam, aber stetig angeglichen. In der jüngeren Vergangenheit, als die Amyloid-Kaskaden-Hypothese (ACH) eine Abfolge von Amyloid (A), Tau-Ablagerungen (T), Neurodegeneration (N) und kognitiven Störungen nahelegte, basierten die Diagnosen auf der Klinik, ohne Bezug zu ATN-Biomarkern, und die Therapien zielten auf keinen der molekularen Mechanismen ab. Der jüngste probabilistische Rahmen für die ACH hat sich auf die IWG-Kriterien 2024 ausgewirkt, wonach ATN-Biomarker für die Diagnose kognitiver Störungen entscheidend sind und es ermöglichen, auch Risikopersonen ohne manifeste Störungen zu identifizieren. Memory Clinics setzen monoklonale Antikörper gegen Amyloide bei kognitiv beeinträchtigten Personen ein, und Hirngesundheitszentren befassen sich mit innovativen Methoden der Prävention bei Menschen ohne kognitive Störungen.
«Klinische Signifikanz versus individuelle Relevanz: der Beitrag digitaler Technologien zur Einführung der neuen Therapien»
Die Einführung der neuen Therapien stellt uns vor komplexe praktische Herausforderungen und öffnet ein Spannungsfeld zwischen klinischer Signifikanz und individueller Relevanz. Die klinische Signifikanz neuer Therapien zeigt sich zwar in einer verlangsamten kognitiven Verschlechterung auf Populationsebene. Die individuelle Relevanz erfordert jedoch eine differenzierte Betrachtung des Nutzen-Risiko-Verhältnisses sowie persönlicher Faktoren. Digitale Technologien und innovative Datenanalysemethoden bieten dabei wertvolle Lösungsansätze für die klinische Praxis: (1) Präzise Früherkennung und gezielte Patientenselektion; (2) Objektive Verlaufsmessung früher Symptome und Prognosestellung; (3) Personalisierte Ansätze für individuelle Bedürfnisse und Symptomprofile.